Recht auf Verschlüsselung statt Chatkontrolle

Landesparteitag Berlin lehnt EU-Vorschlag als unverhältnismäßig ab

Die Berliner SPD hat sich auf ihrem heutigen Parteitag gegen die von der EU-Kommission beabsichtige sogenannte Chatkontrolle, das eine verpflichtende Überprüfung jeglicher digitaler Kommunikationsmittel, ausgesprochen. Die Partei unterstützt damit den Kurs der Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die die EU-Initiative an dieser Stelle ebenfalls für unverhältnismäßig hält. Die SPD-Mitglieder der Bundesregierung und des EU-Parlaments werden durch den Beschluss aufgerufen, ein solches EU-Gesetz zu verhindern.

Das Forum Netzpolitik berät den SPD-Landesvorstand in digitalpolitischen Fragen und hat den Beschluss initiiert. Darin wird festgestellt, dass die Pläne der EU-Kommission mit den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags im Bund unvereinbar seien. Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionspartner ein Recht auf Verschlüsselung und die generelle Ablehnung allgemeiner Überwachungspflichten beschlossen. Der Vorschlag der Kommission würde nach Einschätzung der Netzpolitiker hingegen Whatsapp, Twitter, Anbieter von E-Mail- und weiterer Internetdiensten künftig dazu zwingen, jegliche Kommunikation auf Inhalte, die im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch stehen, zu kontrollieren.

Weil die Prüfung ohne Verdachtsmomente erfolgen solle, die ein Betroffener ausgelöst hätte, handele es sich um eine anlasslose Überprüfung. Der EuGH hätte jedoch wiederholt entschieden, dass eine flächendeckende und anlasslose Massenüberwachung mit Grundrechten nicht vereinbar sei, selbst wenn es um die Verhinderung oder Aufklärung schwerster Straftaten gehe.

Die Berliner SPD hat nun beschlossen, dass Überwachung privater Kommunikation nur gezielt und auf Grundlage eines individuellen Verdachts stattfinden dürfe, um die Grundrechte der Allgemeinheit, aber auch besonders geschützter Menschen und Kommunikationspartner zu gewährleisten. Patienten, Journalisten und Anwälte, vor allem aber auch Missbrauchsopfer selber, müssen sich auf die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation verlassen können. Die Prüfpflicht würde sogar Ende-zu-Ende-verschlüsselte Inhalte betreffen, was faktisch einem Verbot wirksamer Verschlüsselung entspräche.

Gleichzeitig stell der Parteibeschluss fest, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern ein gravierendes Problem und der Kampf dagegen sehr wichtig, aber auch komplex sei. Umfassende Überwachungsmaßnahmen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch als Allheilmittel zu verstehen, verkenne diese Komplexität und auch die Grenzen technischer Überwachung. Zu leicht, so der Beschluss, könnten sich Kriminelle zudem den Überwachungsmaßnahmen entziehen.

Ansprechpartner beim SPD Forum Netzpolitik:
Carmen Sinnokrot
Volkmar Stein


Link zum beschlossenen Antragstext:

https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/recht-auf-verschluesselung-statt-chatkontrolle/

Online-Veranstaltung „Chatkontrolle – droht die Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses?“ (16.2.22)

Der aktuelle Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch führt derzeit zu heftigen Debatten. Als einer der Maßnahmen soll unter anderem eine sog. „Chatkontrolle“ vorgeschrieben werden. In dessen Rahmen soll nach derzeitigem Entwurf Chat- und Messenger-Providern wie Whatsapp, Facebook-Messenger und Signal vorgeschrieben werden, private Chats, Nachrichten und E-Mails bereits auf den Endgeräten zu durchsuchen. Befürworter der Initiative erhoffen sich davon, die Verbreitung von Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet zu reduzieren. Kritiker sehen das Instrument als präventive und anlasslose Massenüberwachung und Gefahr für Privatsphäre, IT-Sicherheit, Meinungsfreiheit und Demokratie. Im Rahmen der Diskussionsveranstaltung möchten wir den Nutzen und die Risiken einer solchen Maßnahme abwägen.

Alle Infos gibt’s hier:

Update: Der Landesparteitag hat sich auf unseren Antrag gegen die Pläne der EU-Kommission und damit gegen eine anlasslose Chatkontrolle ausgesprochen.