Das Bundeskabinett hat am 21. Oktober 2020 beschlossen, die Überwachung von Messengerdiensten weiter auszuweiten. Sie nimmt dabei aus Sicht des Forums Netzpolitik und der Jusos Berlin ohne Not erhebliche Grundrechtseinschränkungen in Kauf und erweist der IT-Sicherheit einen Bärendienst.
Mittels der sogenannten Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) sollen neben Polizeibehörden zukünftig auch die Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst Zugriff auf Nachrichten und Daten mobiler Messengerdienste erhalten. Dies bedeutet in der Praxis, dass Schadsoftware auf Smartphones und Computer aufgespielt wird, um so Daten abzuziehen. Hierfür soll eine Mitwirkungspflicht der Provider eingeführt werden, um Überwachungssoftware unbemerkt auf den Endgeräten der Kunden platzieren zu können.
Das Forum Netzpolitik und die Jusos halten dieses Vorgehen wir für einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff, zudem ohne die notwendige demokratische Kontrolle der Geheimdienste, und lehnt es daher entschieden ab. Quellen-TKÜ und ähnliche Verfahren bergen ein erhebliches Risiko, die IT-Sicherheit in Deutschland und weltweit dauerhaft zu schwächen, da Sicherheitslücken zum Aufspielen der Staatstrojaner benötigt und bewusst offen gehalten werden. Den Polizeibehörden wurden 2017 bereits weitreichende Möglichkeiten zum Einsatz von Überwachungssoftware eingeräumt, welche wegen ihrer Tragweite derzeit auch Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sind. Eine Ausweitung dieser Befugnisse auf Nachrichtendienste verstößt in ihrer geplanten Form gegen das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten. Dies hebt auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Ulrich Kelber in seiner Stellungnahme zum Thema hervor. Gleichzeitig sehen wir auch jetzt schon immer wieder Ermittlungserfolge von Polizeibehörden im Bereich der Cyberkriminalität, des digitalen Drogenhandels und rechter Chatgruppen. Dringender Bedarf an einer verstärkten Zuarbeit von mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten Nachrichtendiensten ist erst einmal nicht erkennbar.
Gemeinsam mit Euch wollen wir einen Ausblick auf das ausstehende Urteil des BVerfG zur Quellen-TKÜ in der Strafprozessordnung wagen und diskutieren, was Behörden eigentlich brauchen, um eine effektive Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auch im digitalen Raum zu gewährleisten, ohne Grundrechte über Gebühr einzuschränken oder die IT-Sicherheit zu schwächen. Welche alternativen Lösungen zur Quellen-TKÜ kann es geben und wie muss eine effektive demokratischen Kontrolle der Geheimdienste aussehen?
Wir freuen uns, Ulf Buermeyer als Gast begrüßen zu dürfen. Ulf Buermeyer ist Vorsitzender und Legal Director der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), eines gemeinnützigen Vereins, der mittels strategisch geführter Gerichtsverfahren Grund- und Menschenrechte verteidigt. Von seinem Amt als Richter am Landgericht Berlin ist er derzeit beurlaubt. Daneben ist er Fellow des Centre for Internet and Human Rights (CIHR) an der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) und Gastdozent des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin. Gemeinsam mit dem Journalisten Philip Banse moderiert er den wöchentlichen Politik-Podcast „Lage der Nation„.